Brit Butt Rallye 2021

Endlich ist es soweit. Brit Butt Rallye 2021. 36 Stunden Rallye fahren mit der Iron Butt Association UK. Das Spielbrett? Großbritannien! 2020 wollte ich schon teilnehmen, aber Corona stoppte mich. Dieses Jahr wird mich nichts aufhalten. Das meine ich zumindest noch um 04:00 Uhr bei der Abfahrt in meiner Kleinstadt im Taunus an einem trockenen, aber recht kühlen Morgen…

 

576 Kilometer bis zum Eurotunnel liegen vor mir. Das wird meine dritte Reise mit dem Motorrad nach Großbritannien. Das erste Mal bin ich mit der Fähre von Calais nach Dover gereist. Beim zweiten Mail wieder per Schiff von Ostende nach Dover. Diesmal will ich den Kanal unterirdisch im Zug durchqueren. Das dauert nur 30 Minuten und ist wesentlich bequemer als mit der Fähre. Man fährt mit dem Motorrad einfach in  einen Wagon des Zuges, steigt ab und stellt die Maschine auf den Seitenständer. Während der Fahrt kann man neben dem Motorrad warten. Kein lästiges Verzurren der Maschine, kein Wechsel vom Auto Deck auf das Passagier Deck, kein Warten bei Ankunft, dass sich die Türen zum Auto Deck endlich öffnen. Zudem schaukelt es auch weniger…

 

Aber erst einmal muss ich die Autobahnetappe nach Calais hinter mich bringen. Das das Mitte September eine kältere Erfahrung wird als geplant, merke ich schon nach wenigen Kilometern. Also geht es erst einmal am nächsten Parkplatz rechts raus und ich ziehe das Thermofutter in meine Jacke ein. Eine zusätzliche Weste darunter  kann zudem sicherlich auch nicht schaden.

 

Zwei Mal stehe ich unterwegs im Stau. Zum Glück lässt sich dieses Problem mit dem Motorrad leicht lösen. Irgendwo ist immer eine Lücke.

 

Nachdem ich in der Nähe von Brüssel eine kurze Frühstückspause eingelegt habe, treffe ich rechtzeitig mit viel Zeitpuffer ca. 2,5 Stunden vor der gebuchten Abfahrt meines Zuges in Calais ein. Hier ist es im Gegensatz zu heute Morgen so warm, dass ich mich bei der ersten Gelegenheit aus allen überflüssigen Kleidungsschichten befreie.

 

Da ich so früh vor Ort bin, kann ich zwei  Züge früher als ursprünglich geplant fahren. Die Abfertigung funktioniert sehr zügig. Vom Eintreffen am Eurotunnel Terminal, bis zum Einfahren in den Zug vergehen nur  50 Minuten. Niemand interessiert sich für meinen Impfausweis oder für mein mühsam ausgefülltes Einreiseformular für Großbritannien. Dafür interessiert sich die britische Polizei, die ihre Kontrollen bereits auf der französischen Seite durchführt, für meinen Geschmack viel zu sehr für mich. 

 

Nach Aufforderung zeige ich dem kontrollierenden Polizisten meine Ausweispapiere. Nach einem kurzen prüfenden Blick in meine Dokumente beginnt ein irritierendes Frage- und Antwortspiel:

 

Polizist: „Was ist der Grund Ihres Aufenthalts in Großbritannien?“

Motorradwanderer: „Touristischer Aufenthalt“

Polizist: „Wo werden Sie sich aufhalten?“

Motorradwanderer: „Coventry“

Polizist: „Wo werden Sie dort wohnen?“

Motorradwanderer: „Holiday Inn Hotel.“

Polizist: „Was haben Sie dort vor?“

Motorradwandrerer: „Ich besuche einen befreundeten Motorrad-Club?“

Polizist: „Welche nächste größere Stadt liegt bei Coventry?“

Motorradwanderer: „Birmingham“

Polizist: „Sie sind also auf dem Weg zu einem Festival?“

Motorradwanderer: „Nein, ich sagte ich besuche einen befreundeten Motorradclub:“

Polizist: „In Birmingham?“

Motorradwanderer (sichtlich genervt): „Nein, in Coventry!!“

Polizist: „Und Sie werden dort bei Freunden wohnen?“

Motorradwanderer: „Nein, auf dem Polizeirevier!“

Polizist: „WAS??“

Motoradwanderer (äußerst kleinlaut):  „Entschuldigung…Im Holiday Inn“

Polizist (mit bösem Blick): „Gute Reise.“

 

Oh Mann, so etwas brauche ich nach einer kurzen Nacht und einer ausgiebigen Autobahn-Etappe unbedingt!

 

Dafür bin ich schnell mit meinem Motorrad in den Wagon eingefahren. Die Zugfahrt ist unspektakulär und außer mir befindet sich nur ein einziges weiteres Motorrad im Wagon.  Solange man sich keine Gedanken darüber macht, dass man gerade den Ärmelkanal in 40 Meter Tiefe durchquert ist das gar kein Problem. ..

Knappe 30 Minuten später stürze ich mich wieder einmal in den das Abenteuer Linksverkehr.

 

Drei Stunden Autofahrt bis zum Holiday Inn Hotel in Coventry liegen nun vor mir. Die Straßen sind zwar gut ausgelastet, aber immerhin stehe ich nicht im Stau. Da habe ich auf britischen Autobahnen rund um London schon schlimmeres erlebt. Trotzdem begrüßt mich Großbritannien mit einem gewaltigen Schrecken: Vor mir taucht auf der Autobahn wie aus dem Nichts ein Schild auf: „Dartford Tunnel“.   Eine Unterquerung der Themse auf der Londoner Ringautobahn.  Das wäre nicht weiter schlimm, wenn dieser Tunnel nicht Mautpflichtig wäre und ich dummerweise nicht einen Cent in britischer Währung einstecken haben würde. Damit wollte ich mich eigentlich am nächsten Tag versorgen. Was also tun? Die Autobahn verlassen? Na Bravo! Das Schild mit dem Hinweis auf die letzte Abfahrt und die tatsächlich letzte Abfahrt fliegen gerade an mir vorbei. Das kann an der Einfahrt zum Tunnel ja interessant werden. Vielleicht kann ich anstelle zu bezahlen ja den Tunnel ausfegen…? Das nächste Schild holt mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Für Motorräder ist die Durchfahrt gratis. Vielen Dank Frau Königin! Da habe ich ja gerade noch einmal Glück gehabt.

 

Unspektakulär vergehen die nächsten drei  Stunden auf der Autobahn und da ich bei meiner Ankunft in Großbritannien die Uhr um eine Stunde zurückstellen musste, erreiche ich das Holiday Inn Hotel in Coventry bereits um 15:30 Uhr Ortszeit.

 

Mein Motorrad kann ich direkt vor meinem Zimmerfenster parken. Da die anderen Teilnehmer erst am Folgetag anreisen werden, habe ich den Abend für mich alleine. Allerdings passiert nach der langen und doch recht anstrengenden Anreise außer einem Besuch beim amerikanischen Burger König, einem kalten Bier und ein bisschen BBC schauen am ersten Tag nicht mehr viel. Schon um 20:00 Uhr fallen mir die Augen zu und ich schlafe bis zum nächsten Morgen durch.

Schon um 06:00 Uhr früh wache ich am nächsten Morgen frisch und munter auf. Da es im Hotel  Frühstück erst ab 07:30 Uhr gibt, nutzte ich die Zeit für meine Notizen zu diesem Reisebericht  und für ein paar Recherchen im  Internet.

 

Nachdem, für englische Verhältnisse, halbwegs akzeptablen Frühstück steht die letzte Hürde bevor. Danach kann ich mich endlich ins Rallye Abenteuer stürzen kann. Aufgrund von Corona verlangt  Großbritannien am zweiten Tag des Aufenthalts einen weiteren Corona Test, der nur an bestimmten Orten vorgenommen werden kann. In meinem Fall am Flughafen Birmingham. Da ich bereits einen Test für 11:00 Uhr vereinbart  habe, sollte das ganze schnell hinter sich zu bringen sein. Zumindest glaube ich das zu diesem Zeitpunkt noch. Lt. der Adresse auf meiner Anmeldung ist das Testzentrum nur knapp 30 Minuten vom Holiday Inn Coventry entfernt. Als ich allerdings am Testzentrum ankomme, erfahre ich als erstes, dass hier ein Fehler vorliegt. Das Testzentrum zu dem ich muss befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite des Flughafens. Da die Adresse in keinem Navi der Welt vorhanden sei,  bekomme ich von einem freundlichen Mitarbeiter erklärt, wie ich dort hinkommen kann. Und zwar so gut, dass ich eine halbe Stunde später wieder bei genau  vor diesem Mitarbeiter stehe. Also bekomme ich noch einmal eine Beschreibung des Wegs und schaffe es diesmal tatsächlich bis zum richten Testzentrum. Dabei handelt es sich sogar um eine „Drive in“ Einrichtung. Wie praktisch! Zumindest denke ich das, bis mir der Mitarbeiter vor Ort erklärt, ich könne nicht mit dem Motorrad durchfahren.  OK, dann mache ich eben den Vorschlag zu Fuß zum Test Zelt zu gehen. Das Zelt kann ich übrigens von meinem aktuellen Standort aus sogar sehen. Nein, das ginge auch nicht erhalte ich als ablehnende Antwort.  Ich könne die Einrichtung ausschließlich mit dem PKW nutzen. Auf meine Frage, wo ich denn auf die schnelle ein Auto herzaubern soll, weiß allerdings niemand eine Antwort.  Ich brauche unbedingt diesen Test, sonst kann ich in drei Tagen nicht aus Großbritannien ausreisen und verbringe die nächsten 10 Tage in Quarantäne.

In Sichtnähe des Testzentrums befindet sich ein Hotel. Vielleicht kann man mir dort ein Taxi rufen, damit ich so die erforderlichen 20 Meter durch den Drive In fahren kann. Dabei stellt sich auch gleich das nächste Problem. Ich habe kein Bargeld in britischer Währung bei mir. Das wollte ich eigentlich im Anschluss an den Corona Test erledigen. Der Zufall will es, dass der Rezeptionist im Hotel sogar perfekt deutsch spricht, da er mehrere Jahre in einem Hotel in Köln gearbeitet hat. Ich erkläre ihm mein Bargeldproblem, worauf er mir bestätigt, dass es in der Nähe keinen Bankautomaten gibt. Allerdings ließe sich das damit lösen, dass es auch in Großbritannien Taxis gibt, die Kreditkarten zur Bezahlung akzeptieren. In meinem Beisein ruft der freundliche Hotelmitarbeiter die Taxizentrale an und schildert meine Schwierigkeiten. Das wäre alles gar nicht schlimm erhält er als Antwort, das passende Taxi wäre in 5 Minuten da.

 

Das ist auch der Fall, aber wer hätte es gedacht, das Taxi akzeptiert nur Barzahlung…

 

Zumindest weiß der Fahrer wo der nächste Bankautomat ist und bringt mich dort hin. Endlich kann es weiter gehen. Das ist allerdings auch nur Wunschdenken.  Der Bankautomat akzeptiert meine Visa Karte nicht. Genauso wenig  wie der zweite Automat . Langsam macht sich Verzweiflung in mir breit. Der Termin für meinen Test verstreicht in 15 Minuten und dass Taxi kann ich auch nicht bezahlen. Von den Euro Scheinen in meiner Brieftasche möchte der Taxifahrer nichts wissen. Na gut, dass verbringe ich eben die nächsten 2 Wochen in Großbritannien und putze in dieser Zeit jeden Tag das Taxi. Unsere nächste Anlaufstelle ist eine Bank. Die wollen mir aber von vorneherein kein Geld geben und Euro in Pfund wechseln sie auch nicht. Unglaublich, denn ich habe die Kreditkarte bereits zum Tanken und beim Abendessen am Vortag ohne Beanstandungen benutzen können.

 

Schließlich hat mein Taxifahrer, mit dem ich mich mittlerweile so gut verstehe, als würden wir uns seit Jahren kennen, die rettende Idee. Das gute Miteinander liegt übrigens  sicherlich an der vielen Zeit die sein Taxameter bereits anzeigt und an der Aussicht sein Taxi in den nächsten Tagen nicht selbst waschen zu müssen. Auf jeden Fall kennt er einen pakistanischen Lebensmittelladen (!) der auch Sozialhilfeschecks einlöst. Der Besitzer wechselt bestimmt auch Euro. Das macht er auch tatsächlich. Er ist so großzügig und wechselt  50 Euro in Pfund und  verlangt dafür „nur“ 15 Euro Gebühr. Das schönste daran ist, dass ich dafür auch noch Danke sagen muss.

 

Also nichts wie zurück zum Testzentrum. Diesmal mit dem Taxi die 20 Meter zum Testzelt zurückgelegt, Stäbchen bis in die Tiefen meines Kleinhirns gerammt, dass Taxi bezahlt und schon bin ich nach über zwei Stunden fertig. So einfach ist das in Großbritannien…

Jetzt aber nichts wie zurück zum Hotel. Schließlich hat der Check In für die Brit Butt Rallye 2021 mittlerweile schon begonnen. 

 

Um  13:00 Uhr sitze ich endlich vor einem Mitglied des Organisationsteams der Rallye und beginne mit dem Check in. Ich unterschreibe den obligatorischen Haftungsausschluss der IBA , erhalte meine Startnummer (006), bekomme den Laufzettel für die technische Inspektion und den Odometer Check ausgehändigt und bekomme meine Rallyefahne, die diesmal in Form eines bedruckten Beutels ausgegeben wird.   

 

Direkt im Anschluss hole ich meine Kawasaki und begebe mich zur „technischen Inspektion“, die auf dem Parkplatz des Hotels stattfindet. Hier muss ich zunächst meinen Führerschein, den KFZ Schein und meine Grüne Versicherungskarte vorzeigen, bevor es an die Kontrolle des Motorrads geht. Licht und Reifen stehen im Focus der Kontrolle. Zum Glück ist alles in Ordnung.

Zu guter Letzt folgt der Odometercheck. Es gilt eine bestimmte Strecke abzufahren, damit die Abweichung zwischen tatsächlich zurückgelegter Strecke und Tachostand festgestellt  werden kann. Auf der Urkunde am Ende der Rallye soll schließlich die tatsächlich zurückgelegte Entfernung dokumentiert werden.

 

Nun habe ich Pause bis zum Abendessen. Diese nutze ich, um mich mit anderen Teilnehmern auszutauschen. Viele kenne  ich schon seit Jahren von anderen Veranstaltungen der IBA.

Das gemeinsame Abendessen wird um 18:00 Uhr serviert.  Danach wird es endlich ernst. Es folgt die Ausgabe der Rallye Books mit den zur Verfügung stehenden Bonus Location.    

 

So bald als möglich gehe ich auf meine Zimmer und beginne mit der Planung. Das Motto der Brit Butt Rallye 2021 sind „Zweideutigkeiten“. Beispiele gefällig? Da wären die Orte „Bitchfield“, „Cock Bridge“ oder die „Long Lover Lane“, vieles aus dieser Richtung mehr. Die Übersetzung überlasse ich Euren Englisch Kenntnissen.

 

Erstaunlicherweise brauche ich diesmal nicht lange um eine für mich praktikable Route zusammenzustellen. Umso besser. So komme ich früh ins Bett und kann am nächsten Morgen um 06:00 Uhr frisch und ausgeruht an der Startlinie stehen.

 

So ist es dann auch ein paar Stunden später tatsächlich. Um 04:45 Uhr stehe ich auf. Mache mir auf dem Zimmer einen Kaffee, was dank der Standardausstattung in britischen Hotels kein Problem ist und mache mich Rallye fertig. Noch ist es dunkel, aber auf dem Parkplatz des Hotels befinden sich schon viele Starter bei ihren Maschinen.

 

Pünktlich um 06:00 Uhr geht es los. Der Starter schickt einen Teilnehmer nach dem anderen auf die Piste.

 

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Corona Auflagen in Irland, Schottland, Wales und England habe ich mich dafür entschieden meine Punktejagd diesmal auf England zu begrenzen.     

Meine letzte Teilnahme an einer Brit Butt Rallye war 2017. Ich erinnere mich,  damals direkt nach dem Start, im ersten Kreisel die falsche Ausfahrt genommen zu haben. Und genau das Gleiche passiert mir 2021. Ich hoffe, dass wird nicht der Beginn einer unrühmlichen Tradition…

 

Die einzelnen Bonuspunkte liegen diesmal relativ weit von voneinander entfernt. Wodurch leider sehr viel Fahrzeit entsteht, was den größten Teil des Tages in Anspruch nimmt. Da ich natürlich versuche die schnellste Strecke zwischen den einzelnen Bonuspunkten zu wählen, bin ich den Großteil des ersten Rallyetages auf Straßen unterwegs, die mit unseren Bundesstraßen vergleichbar sind. Dadurch halten sich die Eindrücke, die ich vom Land sammeln kann leider in Grenzen.

 

Trotz alledem läuft der erste Tag sehr rund für mich. Da es sich bei den meisten zu fotografierenden Bonuspunkten um Straßenschilder handelt und die GPX Daten sehr exakt sind, sind diese leicht zu finden.

 

 

 Immerhin 8 Bonuspunkte schaffe ich bis zum Einbruch der Dunkelheit anzusteuern und befinde mich ungefähr in dem von mir geplanten Zeit Fenster. 

Aber sobald das Tageslicht verschwindet, verabschiedet sich leider auch mein Rallyeglück.

 

Zunächst denke ich noch, dass ich mich täusche. Dann wird es mitten auf einer schmalen, mit hohen Büschen links und rechts zugewachsenen Single Track Road zur Gewissheit. Ich habe ein Problem mit meiner Beleuchtung. Mit dem Abblendlicht um genau zu sein. Es leuchten nur noch die beiden kleinen Positionslichter in der Frontmaske meiner Kawasaki. Das kann doch nicht wahr sein. Und das ausgerechnet an der Südostküste von England. Eine Gegend, die nicht sonderlich belebt, geschweige denn Touristisch ist. Ich prüfe erst einmal meine Optionen. Ich kann versuchen mit Hilfe meiner beiden Nebelscheinwerfer zu  fahren und unter zu Hilfenahme meines Fernlichtes. Das sollte funktionieren, bis ich an einer Tankstelle eine Ersatzbirne kaufen kann. Um die korrekte Birne kaufen zu können, versuche ich das kaputte Leuchtmittel zu entfernen. Es ist mittlerweile innerhalb kürzester Zeit stockdunkel geworden und ich stehe noch immer mitten im Nichts auf einer engen Singletrack Road auf der unerklärlicherweise inmitten des Nichts ein Verkehr herrscht, wie auf dem Broadway nachmittags um  17:00 Uhr.

 

Wie dem auch sei. Nach 30 Minuten gebe ich es entnervt auf. Die Birne des Abblendlichts meiner Versys ist dermaßen verbaut, dass ich hier noch zwei Stunden stehen kann und das blöde Ding befindet sich noch immer in seiner Fassung. Zudem stellt sich mir die Frage, wenn ich die Birne schon nicht herausbekomme, weil meine Hände zu groß sind um die Klammer fassen zu können, die die Birne hält, wie soll ich dann eine neue Birne hineinbekommen?!?

 

Also lasse ich diesen Plan fallen und versuche mit Hilfe meiner beiden Nebelscheinwerfer zu navigieren. Das stellt sich ganz schnell als völlig erfolgloses Unterfangen heraus.  Nachdem ich zweimal um Haaresbreite im Acker gelandet bin, muss ich zugeben, dass ich so nur mein Vorderrad perfekt sehen kann, allerdings so gut wie nichts von der vor mir liegenden Straße. Also muss der nächste Plan funktionieren. Ich fahre dauerhaft mit Fernlicht! Das bringt allerdings das Problem mit sich, dass ich den Gegenverkehr frontal mit voller Wucht anleuchte. Als Reaktion drauf blenden alle mir entgegenkommenden Fahrzeuge ebenfalls auf. So wird das auch nichts. Jetzt sehe ich außer Sternchen überhaupt nichts mehr und laufe Gefahr im Gegenverkehr zu landen. Da war mir die Acker-Option ja noch lieber.

 

Also hilft nichts. Ich muss von der Straße runter bevor noch etwas passiert. Also muss ein Hotel für die Nacht her.  Aber wer hätte gedacht, dass es so schwer sein würde ein Zimmer zubekommen? Es ist ungefähr 19:00 Uhr als ich mit meiner Suche beginne. Ich versuche mich dabei grob an der von mir geplanten Route Richtung Süden zu halten. Schließlich habe ich mich noch nicht entschieden, wie und ob ich trotz meiner technischen Probleme weiter machen werde.

In der Zeit bis 23:00 Uhr (!) fahre ich insgesamt  7(!) Hotels an, die alle ausgebucht sind. Es macht den Eindruck, als ob am Wochenende alle Briten ihre Häuser und Wohnungen verlassen und ins Hotel ziehen. Ungefähr 30 Minuten vor Dover finde ich endlich ein Hotel. Hier ist durch Zufall ein Zimmer frei, da ein Gast nicht angereist ist. Für ein Abendessen ist es jetzt zu spät. Das Hotel liegt ziemlich abseits und lt. der Rezeption hat kein Restaurant in der Gegend mehr geöffnet. Wenn es erst einmal läuft, dann läuft es. Zum Glück habe ich eine lauwarme Dose Bier im Koffer, die ich mir nach einer heißen Dusche gönne.

 

Kaum liege ich im Bett, falle ich auch schon in einen tiefen Schlaf.  Unsanft geweckt werde ich einige Stunden später. Im Nachbarzimmer scheint ein Paar zu wohnen, dass in den frühen Morgenstunden sturzbetrunken ins Hotel zurück kommt, um erst im Zimmer zu randalieren und zu krakelen, im Anschluss aber mit entsprechender Geräuschkulisse seine Liebe für einander neu entdeckt.

 

Da ich nun schon einmal wach bin, kann ich auch darüber nachdenken, wie ich weiter mit der Brit Butt Rallye 2021 umgehen möchte.

 

Welche Optionen habe ich?

 

·         Ich kann versuchen die Birne auszubauen, was mir allerdings bereits am Vorabend nicht gelungen ist, und kann im unwahrscheinlichen Erfolgsfall mich um eine neue Glühbirne bemühen.

·         Eine offene Werkstatt werde ich  am Sonntag nicht finden. Das würde mich allerdings nicht daran hindern rechtzeitig bis 17:00 Uhr zurück in Coventry über die Ziellinie zu fahren.  Das löst allerdings nicht mein Glühbirnen Problem.

·         Wenn ich das Problem am Sonntag ignoriere, holt es mich am Montag auf der Heimreise wieder ein.  Selbst wenn ich Montagmorgen nach Sonnenaufgang in Coventry losfahre, schaffe ich es nicht im Hellen nach Hause und müsste die letzten 1,5 Stunden in Deutschland über die Autobahn ohne vernünftige Beleuchtung fahren.

·         Ich kann es darauf ankommen lassen und mir in Belgien oder Deutschland auf der Heimfahrt eine Werkstatt suchen, die mir ohne Termin die Birne wechselt. Was aber, wenn mir das nicht gelingt? Dann wäre die Zeit auf der Autobahn in Deutschland ohne vernünftige Beleuchtung noch länger.

·         Und dann ist da schließlich noch immer die Variante, dass es sich gar nicht um eine kaputte Glühbirne handelt, sondern um ein größeres Problem.

·         Und dann ist bei all meinen Überlegungen nicht zu vergessen, dass ich Dienstagmorgen einen beruflichen Termin habe, den ich nicht versäumen kann.

 

Ich beschließe erst einmal im Hotel zu frühstücken und das Problem telefonisch mit der Rallye Leitung zu besprechen. Vielleicht haben die ja noch eine Idee, auf die ich aktuell nicht komme.

Da ich am Vortag mein Abendessen versäumt habe, schmeckt selbst das englische Frühstück im Hotel köstlich. Es ist 06:30 Uhr und außer mir ist noch niemand im Speisesaal

 

Im danach folgenden Gespräch mit der Rallyeleitung bekomme ich den Rat den sichersten Weg zu gehen. Das ist allerdings die Empfehlung, die ich nicht hören wollte. Ich befinde mich aktuell ca. 30 Minuten vom Eurotunnel entfernt und es ist kurz nach 07:00 Uhr morgens. Wenn ich mich jetzt direkt auf den Weg mache und mein Eurotunnel Ticket umschreiben lasse, stellen sich alle in Frage kommenden Probleme, von Werkstatt bis Glühbirne beschaffen, nicht. Ich komme nämlich in einem Rutsch im Hellen nach Hause.

 

Das kann doch wohl nicht  wahr sein, soll mitten in der Rallye, wahrscheinlich wegen einer Kleinigkeit wie einer Glühbirne Schluss sein?!? Auf der anderen Seite, bin nicht ich immer derjenige der predigt, dass das Wichtigste an einer IBA Veranstaltung  ist, Heil und in einem Stück nach Hause zu kommen, und das es keine Schande ist einen Ride oder eine Rallye abzubrechen?

 

So oder so ähnlich rede ich es mir jedenfalls schön, als ich meine Rechnung im Hotel bezahle, meine Maschine belade und mich auf den Rückweg zur Fähre begebe…

Vor Ort am Eurotunnel kann ich mein Ticket gegen eine Gebühr von 15 € umbuchen und bereits kurze Zeit später kann  in meinen Wagon hineinrollen und befinde mich völlig frustriert auf der Heimfahrt.  Wahrscheinlich war das die richtige Entscheidung, aber gefallen muss sie mir wirklich nicht. Eigentlich sollte ich gerade an einer Bonus Location ankommen und mein Beweisfoto machen. Stattdessen befinde ich mich auf der Heimreise.

 

Nach einigen unspektakulären Stunden auf der belgischen und deutschen Autobahn erreiche ich gegen 16:00 Uhr meine Kleinstadt im Taunus.

 

Am nächsten Morgen, es ist schließlich erst Montag und ich habe noch Urlaub, fahre ich in meine Kawasaki Werkstatt hier vor Ort. Schließlich will ich abschließend wissen, ob es tatsächlich nur die Glühbirne war.

 

 

Und tatsächlich . Kleine Ursache und große Wirkung. Das Einzige was mich jetzt tröstet ist, dass der Werkstattmeister 20 Minuten schimpfend und fluchend benötigt, bis die kaputte Glühbirne endlich gewechselt ist…                

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